Montag, 10. Juni 2013

Die Unplanmäßige

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Lokales |  31.07.2007 | 23.40 | Zabaione
Die Unplanmäßige

Sie frisst sich wie ein Wurm unter und über der Erde ihren Weg durch die Stadt und wer glauben sollte, der Weg wäre frei oder vorbestimmt der irrt; wir wissen nicht ob und wann und an welchen Ort sie uns bringen wird. Es kommt vor, dass sie für einen Weg den man mit dem Fahrrad bequem in einer halben Stunde erreicht, die dreifache Zeit benötigt, weil sie Störungsanfällig ist, die Bahn.

Oft steht sie und wird zum Gefängnis und zum Martyrium: Weil viele Menschen in Eile sind, Termine haben, es gewohnt sind sich fortzubewegen, nicht inne zu halten und stillzustehen und in einer mit Menschen überfüllten Bahn, mehr Nähe auszuhalten müssen, als sie es sonst gewöhnt sind. Sie atmen das Parfüm oder und den Schweiß ihrer Nachbarn, müssen Handymusik ertragen oder den Monolog, oft aggressiven Dialog, von Betrunkenen. Sie müssen den Eingriff in ihre Privatsphäre erdulden, wenn sie mit Fremden auf Tuchfühlung stehen.

Die Bahn ist Transportmittel, Arbeitsplatz, Bibliothek, Jugendzentrum, Asyl und Zuhause und beherbergt für längere oder kürzere Zeit Menschen, die man unterschiedlicher von ihrer Kultur, Verschiedenheit und sozialen Status, auf so kleinen Raum, selten vorfindet.

So kann es Vielfahrern passieren, dass sie der Frau die morgens in der Bahn in Chorweiler um Spenden bittet, am späten Nachmittag unterwegs nach Porz wieder begegnen. Sie eröffnet uns Einblicke, die wenn wir sie wiedererzählen abstrus wirken, wie die Beschreibung des untersetzten Mannes der sich in einer "Vierergondel" eingerichtet hatte. Seine nackten Füße hatte er auf einer Decke, die er auf der gegenüberliegenden Sitzbank ausgebreitet hatte, abgelegt. Seine Fußnägel waren in Mint lackiert, die Fingernägel purpur. Oder der vermutlich heimatlose Afrikaner, der um sich herum karierte Plastikreisetaschen(seine ganze Habe?) platziert hatte und schlief. Dabei hatte er seine Arme unter dem Pullover um sich geschlungen,die Ärmel hingen wie eine Metapher, lose neben ihm.

Es ist erstaunlich wie viele Mensch tagsüber mit der Bahn unterwegs sind, also nicht nur zu Zeiten des Berufsverkehrs. Sie tragen oft ihre Einkäufe, Koffer , Werkzeug und Kleinmöbel vor sich her, oder schieben Fahrräder und Kinderwagen hinein. Manchmal möchte man eingreifen, wie bei der Alkoholikerin die unablässig auf ihre vielleicht fünfjährige Tochter einredet, oder bei den jugendlichen Cliquen, die in der Bahn randalieren und über Handy laut Musik hören und ihnen mit Wagner kontern und so den Spiegel vorhalten.
Bierflaschen sieht man jetzt vermehrt auch tagsüber in der Hand von Menschen fast jeden Alters.

Die Bahn könnte in irgendeiner Stadt Stadt fahren (wenn sie fährt)- sie tut es aber nicht immer . Diese steht in Köln. Schon vor dem Umbau stand sie oft in der Passage zwischen Barbarossaplatz und Neumarkt- Rückstau....jetzt hat sie eine Generalentschuldigung: "Umbauarbeiten".

Vielleicht wird sie eines Tages im Minutentakt fahren, wie in Berlin, München Paris oder Madrid. Die Türen gehen auf, Leute steigen aus, steigen ein - eins, zwei, drei, die Türen schließen und die Bahn fährt los. Unvorstellbar für Köln.

Vielleicht ist Sie auch Schule;die Schule des Lebens, für Geduld und Gleichmut, für nicht endende und oft unverständliche Lautsprecherdurchsagen, für multikulturelles Leben, für Gleichgesinnte und Vergessene. Nach dem Umbau, wird sie vielleicht nicht mehr die Selbe sein, und auch die Entschuldigungen für Fahrplan Unregelmäßigkeiten werden sich ändern. Und die Menschen werden nicht mehr die Selben sein. Vielleicht werden sie schneller vorwärtskommen und die Bahn und die Menschen werden eine Einheit ,weil sie schneller und entspannter ans Ziel kommen und vielleicht können Sie etwas von der Zeit retten, die sie sonst jeden Tag verloren haben.
Schlagworte: Geduld | Gleichmut | Martyrium | Eile
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