Sonntag, 23. Juni 2013

„Zweite Person Singular“ von Sayed Kashua

 

Kultur |  18.04.2011 | 18.29 | Zabaione


„Zweite Person Singular“ von  Sayed Kash

In den letzten Tagen hat es mich begleitet, dass auf der Lit. Cologne vorgestellte und Anfang April in der deutschen Übersetzung erschienene Buch : „Zweite Person Singular“ von Sayed Kashua.

Wann immer ich Zeit hatte, habe ich es zur Hand genommen und war gefangen von der Geschichte.

Zweite Person Singular erzählt die Geschichte zweier arabischer Israelis, die versuchen im jüdischen Teil Jerusalems eine neue, anerkannte Identität zu finden .

Auf groteske Art und Weise versteht es Kashua dieser beider Leben miteinander zu verknüpfen.
So gerät die Welt des etablierten Rechtsanwaltes durch einen kleinen Zettel, den einst seine Frau an den anderen Protagonisten des Romans, Amir schrieb (dem sie vor Jahren beruflich begegnet ist), aus den Fugen.

Der Rechtsanwalt findet ihn zwischen den Seiten, bezeichnender Weise der Kreutzersonate, die er gerade in einer antiquarischen Buchhandlung erstanden hat.

Text:
„Er kam bis zur Seite 102, da endete die Geschichte, und als er das Buch zuklappen wollte , fiel ein kleiner weißer Zettel heraus. Der Rechtsanwalt lächelte und las:“Ich habe auf dich gewartet, und du bist nicht gekommen. Ich hoffe, dass bei dir alles in Ordnung ist. Ich wollte dir für den gestrigen Abend danken, er war wunderbar. Rufst du mich morgen an?

Der Rechtsanwalt sprang aus dem Bett seiner Tochter, er wollte seine Frau umbringen. Er würde diese Hure durchbohren, er würde ihr die Kehle aufschneiden, er würde ihr die Augen ...“

Während die Fantasie des Rechtsanwalt mit ihm durchgeht und das Ganze auch an die Geschichte mit dem Hammer erinnert, spürt man, dass er die Fundamente seiner arabischen Erziehung, nie abgestreift hat, denn es scheint ihm mehr um seine Ehre zu gehen, als um Liebe.
Seine einzige Hoffnung, wenn der Nebenbuhler doch wenigstens ein Jude wäre, dann würde er den Betrug nicht ganz so schlimm finden.....!

Er überrascht seine völlig fassungslose Frau mit Szenen, besäuft sich und ist fortan auf seinen möglichen Nebenbuhler fixiert, dessen Name in der Kreutzersonate und weiteren Büchern die er in einem Antiquariat ersteht, geschrieben steht.

Amir sucht sein Heil in einer jüdischen Identität. Er gibt seinen Job als Sozialarbeiter bei der Drogenhilfe auf und arbeitet bald vorwiegend nachts für Rochele Forschmidt,er pflegt deren im Wachkoma liegenden Sohn Jonathan, und borgt sich dessen Pass und kommt so an die besseren Jobs.

Nach und nach absorbiert er dessen Leben, hört seine Musik, liest seine Bücher und beginnt,
wie Jonathan, dessen Blick er meistens meidet, mit der Fotografie. Nach seinem Tod lässt er diesen unter seinem eigenen Namen beerdigen und lebt selbst, mit Billigung der Mutter, als Jonathan Forschmidt weiter.

Amir `s Beweggründe:

„Einmal hatte ich eine Arbeit in der Küche angenommen, man nannte den Job Küchenhilfe, doch alles was ich in der ganzen Woche tun musste war Geschirr spülen,die Toilette putzen Kisten mit Lebensmitteln und Getränken zu schleppen und den Müll hinauszutragen. Ich musste um halb sieben morgens auf der Matte stehen und bis abends um sechs arbeiten, und das für einen Hungerlohn. Ich wusste genau das die Kellner lange nicht so schwer arbeiteten und viel mehr verdienten, schon allein durch die Trinkgelder. Alle Kellner in jenem Kaffee waren Juden gewesen und alle Küchenhelfer, deren Arbeit vor den Gästen verborgen blieb, Araber.„

Der Rechtsanwalt lässt nicht locker und spürt ihn und seine Geschichte auf.

Beide Protagonisten kommen aus einem palästinensischen Dorf, haben in Jerusalem studiert, ein großes Nachholbedürfnis an internationaler Literatur, sind mind. zweisprachig, halten die eigene Kultur für rückständig und wollen im jüdischen Teil Jerusalems, ohne Ressentiments leben und arbeiten.

Das es bis dahin noch ein weiter Weg ist, daraus macht Sayed Kashua keinen Hehl, er glaubt das alles noch schlimmer kommen kann als bisher. Seine einzige Hoffnung auf einen positiven Wandel in der arabischen Gesellschaft, dort gibt es noch viele Analphabeten, setzt er auf Wirtschaft und Bildung und würde dafür als Tausch, seinen Humor opfern . 
Dabei ist diese Waffe von unschätzbaren Wert, sie kann die Herzen der Menschen erreichen .

Demnächst werden die ersten beiden, auch in Deutschland erschienenen Bücher,“Tanzende Araber“ und „Da ward es Morgen“ von Sayed Kashua verfilmt und auch dieses eignet sich für eine Screwball Komödie, mit Comedy hat Sayed bereits Erfahrungen, „seine Serie „Avoda Aravit“ hat Kultstatus und thematisiert die Zwiespältigkeit der arabisch-israelischen Beziehungen.

Arte
In dem oben verlinkten Arte - Interview kommt er selbst zu Wort.....und beschreibt die Situation, der israelischen Araber.


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